liche Prinzip, das Negative und Positive, das Statische und Dynamische, das Horizontale und das Vertikale — es sind die unveränderlichen Elemente, auf denen der Widerspruch unseres Lebens beruht, und welche sich in der Veränderlichkeit zeigen. Die Aufhebung dieses Kampfes, der Ausgleich dieser Extreme, die Aufhebung der Polarität ist Inhalt des Lebens, ist elementarer Gegenstand der Kunst. In diesem Ausgleich, welcher sich in der Kunst als Harmonie oder vitale Ruhe kund gibt, liegt das Kriterium für die wesentliche Bedeutung jedes Kunstwerks. Nicht zwar für das Kunstwerk als Sonderausdruck, sondern für die Kunst als Gesamtausdruck eines Volkes, für einen Stil. Jedes Kulturvolk hat sich mit diesen grundlegenden Wahrheiten, die weit über das Persönliche hinausgehen, auseinander gesetzt. Die Physiognomie jeder Kunstperiode zeigt am deutlichsten, inwieweit es den Menschen gelungen ist, einen Ausdruck zu schaffen, einen Stil, ein Gleichgewicht zwischen obengenannten Gegensätzen. Bei einem Volk überwiegt das natürliche Element, die Spontanität bei einem anderen überwiegt das geistige Element, die Kontemplation nur selten ist durch Beherrschung dieser Zweiheit das Gleichgewicht da.
Zwecks einer näheren Erklärung habe ich mich einer einfachen, schematischen Zeichnung bedient. In dieser Zeichnung habe ich die verschiedenen Kunstperioden von den Ägyptern bis heute synthetisch dargestellt.
Wie ich in meinem Vortrag „Classique, Baroque, Moderne“ weitläufig auseinander gesetzt habe, setze ich an Stelle von Entstehung, Blüte und Verfall eine durchgehende Evolution. Diese durchgehende Evolution in Leben und Kunst ist eine geistige, aber sie verwirklicht sich in Raum und Zeit als Entstehung, Blüte und Verfall.
Hieraus kann man die Folgerung ziehen, daß jeder Aufwuchs die Keime eines Verfalls enthält, aber das jeder Verfall wieder die Möglichkeit für eine neue Entstehung bietet.
Nirgends und nie gibt es ein Ende.
Immer geht es weiter.
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