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Pagina:Stijl vol 05 nr 02.djvu/13

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Bei den Romanen gewahren wir eine starke Annäherung an das Natürliche, während in der darauf folgenden Epoche des Mittelalters sich das genaue Gegenteil — Hinneigung zum Geistigen — zeigt.
In der Renaissance zeigt sich wiederum die Annäherung an die Natur, die in der Zeit des Barock nur eine Verstärkung erfährt. In der Reformationsepoche zeigt die Kunst wieder eine stärkere Ausgeglichenheit. Zur Zeit des Idealismus gewahren wir jedoch wieder eine Annäherung an das Geistige — um nun in der Zeit der „Neuen Gestaltung“ auf den Weg der Einheit von Natur und Geist zu gelangen. (Aufhebung der Polarität.)

Wir haben uns nur in das Wesen der nur in ihre Form verschiedenen Philosophien und Religionen zu versenken, um diese Polaritätsgedanken als den Sinn des Lebens zurückzufinden. — Sie sind die symbolische Vorstellung von einer Wahrheit, deren Verwirklichung unsere Aufgabe ist, und vielleicht hat keine Zeit den Kampf von Natur und Geist so bestimmt zum Ausdruck gebracht wie die unserige. Es handelt sich hier nicht um das, was wir in philosophischer Beziehung unter Natur und Geist zu verstehen haben. Es genügt, wenn wir in der Wirklichkeit unsere eigene Existenz zwei einander ergänzende Prinzipien als Inhalt aller unserer Handlungen zurückfinden.
In der Kunst der Vergangenheit waren diese Prinzipien verschleiert, ganz wie in der Natur, wo sie durch mannigfaltige äußerliche Formen verhüllt sind. — Es war nicht nur die Tätigkeit des Künstlers, sondern auch die des Philosophen und Wissenschaftlers, hinter diesen Formen das Wesen des Seins zu entdecken und in eine andere, neue Gestalt zu gießen. So erklärt es sich, weshalb die Nachahmung äußerlicher Formen nichts mit Kunst zu tun hat. Jeder Künstler — mag er der Vergangenheit angehören oder nicht — versucht durch sein Ausdrucksmittel über die Natur oder äußerliche Formen hinaus das Gleichgewicht zwischen beiden Extremen herzustellen. In jeder großen Kunst, ob sie individuell oder kollektiv als Stil erscheint, gibt sich dieses Gleichgewicht als Harmonie oder Ruhe kund. (Beispiel: Ägyptische Plastik.)
Diese Ruhe oder Harmonie kann aber nicht ohne Kampf gewonnen werden. Dieser Kampf, der sich durch die

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